Deutsche Gerichte urteilen konträr, wenn es darum geht, ob der
Patient einen Anspruch auf Kostenübernahme gegenüber seiner Krankenkasse hat,
den Austausch der Amalgamfüllung gegen ein anderes Füllungsmaterial zu bezahlen.
Bei den nachfolgend aufgeführten Urteilen ist allerdings zu berücksichtigen,
dass es sich einmal um eine Private, im anderen Fall um eine Gesetzliche
Krankenversicherung handelte.
Pro:
Beim Verdacht gesundheitlicher Störungen wegen
Amalgam-Zahnfüllungen haben
Patienten nach einem Urteil des Amtsgerichts Frankfurt Anspruch auf
Füllungen
aus anderem Material.
Dieser Rechtsanspruch gegenüber Krankenkassen gilt nach dem Ende November 2000
veröffentlichten Urteil auch dann, wenn der Zusammenhang zwischen der
Gesundheitsstörung und dem Amalgam medizinisch nicht eindeutig erwiesen, sondern
nur mit einer nachvollziehbaren Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist.
Mit dieser Begründung verurteilte das Gericht die
private Krankenkasse des
Klägers zur Nachzahlung von rund 2300 DM für die Entfernung seiner
Amalgam-Füllungen und deren Ersatz. Nach einem ärztlichen Gutachten litt der
Patient an einer Tinnitus-Erkrankung des linken Ohres, auf dem rechten Ohr war
er bereits ertaubt. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit war die Erkrankung auf
die Amalgambelastung zurückzuführen; die Entfernung des Amalgams ließ auf eine
Besserung hoffen.
Die Krankenkasse hatte jedoch die Übernahme der zusätzlichen Kosten mit der
Begründung verweigert, dass kein Zusammenhang zwischen Amalgam und
Tinnitus-Erkrankungen bestehe.
Das Gericht entschied zu Gunsten des Patienten, dass die Krankenversicherungen
auch die Kosten für eine "quasi experimentelle Therapie zu erstatten hat, wenn
es sich um eine erhebliche Krankheit handelt, für die es einen anderen Erfolg
versprechenden Heilungsweg nicht gibt". Im Fall des Klägers sei das Amalgam als
"letzte Möglichkeit" ersetzt worden. Es sei eine "Hoffnungstherapie" gewesen,
auf die der Patient einen Anspruch habe.
AG Frankfurt Urteil vom 17.11.2000 Aktenzeichen 30 C 38/99-47
Contra:
Hersteller des Zahnfüllstoffes Amalgam können einem Urteil des 3.
Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Frankfurt am Main zufolge nicht auf Zahlung von Schadenersatz
und Schmerzensgeld in Anspruch genommen werden, weil ein Zusammenhang zwischen
der Freisetzung von Quecksilber aus Amalgam und bestimmten Erkrankungen nicht
nachweisbar ist.
Eine Klägerin hatte geltend gemacht, aufgrund mehrerer Zahnfüllungen mit Amalgam
sei bei ihr eine chronische Quecksilbervergiftung ausgelöst worden, die wiederum
eine Multiple Sklerose-Erkrankung und Unfruchtbarkeit verursacht habe. Das
Landgericht hatte die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens mit
der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe nicht beweisen können, dass die von
ihr genannten Gesundheitsschäden auf der Anwendung des Zahnamalgams beruhe.
Der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main bestätigte die
Entscheidung des Landgerichts und wies die Berufung der Klägerin zurück. Da die
Klägerin bereits zuvor 7 Amalgamfüllungen anderer Herstellerinnen gehabt habe,
sei bereits aus diesem Grund eine Ursächlichkeit gerade des von der Beklagten
hergestellten Amalgams nicht feststellbar.
Im Übrigen sei die wissenschaftliche Amalgam-Kontroverse auch zum jetzigen
Zeitpunkt nicht gelöst. Angesichts der gesamten neueren Erkenntnislage werde die
Existenz eines Amalgamproblems aus toxikologischer Sicht zunehmend in Frage
gestellt. Ein Zusammenhang zwischen Multipler Sklerose und
Quecksilberfreisetzung aus Amalgam sei eher als unwahrscheinlich anzusehen.
Die Klägerin habe im Übrigen keine ausreichenden ärztlichen
Untersuchungsergebnisse vorgelegt, die eine seriöse wissenschaftliche Aussage
über die Ursachen der festgestellten MS-Erkrankung und ihrer Unfruchtbarkeit
zuließen. Die aufgrund der Basalkurve gestellte Diagnose einer
Quecksilbervergiftung als Ursache der Unfruchtbarkeit qualifizierte der vom
Gericht bestellte Sachverständige als verantwortungslos und nicht
nachvollziehbar. Die Klägerin habe aber auch nicht beweisen können, dass nach
dem derzeitigen Stand der Wissenschaft die Verwendung des Amalgams auch nur mit
erheblicher Wahrscheinlichkeit zu der Erkrankung an MS oder Unfruchtbarkeit
führe.
Der Sachverständige habe überzeugend dargelegt, dass die Belastung durch
Quecksilber oder auch durch andere Schwermetalle zwar möglicherweise bei höherer
Dosis zu weiblicher Unfruchtbarkeit führen könne. Bei den vorliegend in Betracht
kommenden Werten sei aber ein Ursachenzusammenhang eher unwahrscheinlich oder
sogar auszuschließen.
Das OLG Koblenz hat im März 1999 (AZ.: 3 0 328/97)
Schadensersatzansprüche gegen
einen Zahnarzt wegen des Legens von A.-Füllungen abgelehnt, da diese Füllungen
i.d.R. nicht gesundheitsgefährdend seien. Die messbaren erhöhten
Quecksilberwerte lägen weit unter den wissenschaftlichen Toleranzwerten: Auch
sei die Empfehlung, bei Schwangeren und Kleinkindern kein A. zu verwenden, als
reine Vorsichtsmaßnahme zu betrachten. Ähnliche Urteile ergingen vom OLG S-H
(AZ.: 4 U 89/95), LG Frankenthal (AZ.: 6 0 147/96) und LG Augsburg (AZ.: 9 0
310/93). Diese Urteile bezogen sich auf die Zeit vor 1995; 1995 traten neue
Richtlinien in Kraft, zu denen noch keine Rechtssprechung vorliegt.
Das Bundessozialgericht hat im Oktober 1999 den Austausch von A. auf Kosten der
Gesetzlichen Krankenkasse mit folgender Begründung abgelehnt:
Solange es nur eine hypothetische Möglichkeit gebe, dass die Beschwerden mit
einem Wechsel der Füllmaterialien gelindert werden könnten, dürften die Kassen
nicht in die Pflicht genommen werden. Damit wies das höchste deutsche
Sozialgericht die Klage eines Mannes ab, der unter anderem über Depressionen,
Müdigkeit, Gelenkschmerzen und Nervosität geklagt und diese Beschwerden auf
seine A.-Füllungen zurückgeführt hatte. Eine Quecksilber-Allergie lag
jedoch nicht vor.